16.05.2013
Archivmeldungen 2013
Mit Stolz, Trauer und Skepsis reagieren Hamburgs IG BAU-Mitglieder auf den erneuten Schritt Wiesehügels in die Bundespolitik. Während die meisten Kollegen seine Entscheidung begrüßen und von einem Arbeitsminister Wiesehügel tarifrechtliche Impulse und auch Bewegung in der Rentenpolitik erwarten, wird sein Rückzug als Gewerkschaftsvorsitzender bedauert. Einige Mitglieder äußern Zweifel daran, dass Wiesehügel seiner Linie in einer schwarz-roten aber auch rot-grünen Bundesregierung treu bleiben kann.
"Nachvollziehbar. Als Arbeitsminister kann er mehr bewegen, als ein Abgeordneter. Wenn Themen, wie "Rente muss zum Leben reichen" lauter werden, ist das ein Gewinn. Inwieweit das umsetzbar ist? Auf jeden Fall besser, als bei seinen Vorgängern. Mal sehen, wie es jetzt bei der IG BAU weitergeht, wer sein Nachfolger wird. Für uns ist das natürlich ein Verlust."
"Alles schön und gut, aber ich hab´ immer meine Probleme, wenn wir als Gewerkschaft zu dicht an einer Partei dran sind. Er mag ja gute Ideen haben, aber ich bin skeptisch, ob er für Arbeitnehmerinteres- sen so viel erreichen wird. Ich glaube, er wird damit auf die Nase fallen."
"Uns als Baugewerkschaf -ter erfüllt es mit Stolz, dass einer der Unseren als Arbeitsminister ins Schattenkabinett von Peer Steinbrück berufen wird. Das steht in der Tradition von Georg Leber, der ja auch mehrere Ämter als Bundesminister in drei Regierungen innehatte. Und es zeigt, dass nicht nur Professoren und Juristen das Zeug haben, Regierungsverantwortung zu übernehmen, sondern auch Arbeiter aus unserer Mitte."
"Gemischte Gefühle. Superstolz, dass Klaus das nun schon das zweite Mal für uns macht. Aber auch Abschiedsschmerz. Man muss mal überlegen, was er da für uns erreichen kann - für uns als Gewerkschafter."
"Im ersten Moment war ich überrascht. Auf der anderen Seite fand ich das gut vorstellbar. In der Sache ist Klaus Wiesehügel natürlich richtig im Ministerium, zumindest wenn er sich gegen die Lobbygruppen durchsetzen kann. Aber: Schade für die Gewerkschaft."
"Schlauer Schachzug von Steinbrück. Auf jeden Fall haben sie sich denjenigen ausgesucht, der sich bisher am prägnantesten gegen soziale Ungleichheit, Hartz-Gesetze u.s.w. positioniert hat. Es ist wichtig, dass in der Regierung jemand ist, der sich mit der tatsächlichen Lebenslage der Menschen auskennt - der weiß, wie die Menschen mit Hartz IV leben."
"Das ist schon ein bisschen skurril. Ich kann ja nicht über Jahre Gegner dieser Politik sein und dann da einsteigen. Das kann ich mir nicht erklären. Wenn das jemand von der IG Chemie gemacht hätte, die waren ja immer sehr gesetzestreu ... . Aber Klaus ist ja ein freier Mensch."
"Erstens: Ich bin überrascht gewesen. Nr. 2 hatte ich überhaupt keine Ahnung, dass er nicht mehr für den Bundesvorsitz kandidieren wollte. Und Nr. 3 - wir haben als IG BAU-Senioren erst zuletzt wieder Gespräche über die Rentenpolitik geführt, wir haben versucht, das Thema in die Öffentlichkeit zu bringen. Ich erwarte, dass er da als Minister nicht abtaucht. Aber Klaus ist eigentlich kein Typ, der einknickt ..."
"Da haben sie jemand Gutes gefunden. Klaus kann die Interessen der Gewerkschaften, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vertreten und ist auch in der Lage, mal gegen den Wind zu reden. Von der Hamburger BAU-Jugend hat er volle Rückendeckung."
Der IG BAU steht KlausWiesehügel bereits seit 1995 vor, als er Bruno Köbele ins Amt folgte. Sein bestes Wahlergebnis verzeichnete er im Jahr 2005, als ihn die Delegierten des Gewerkschaftstages mit 94,1% bestätigten, zuletzt wurde Wiesehügel 2009 wiedergewählt. Wegen seiner Zusage, unter einem Kanzler Peer Steinbrück das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu übernehmen, erklärte der gelernte Betonbauer, auf dem diesjährigen Gewerkschaftstag Anfang September nicht wieder für den Bundesvorstand zu kandidieren. In seiner insgesamt 18jährigen Amtszeit sank die Zahl der Beschäftigten im Baugewerbe konjunkturbedingt von 1,3 Mio. (1996) auf 740.000 im Jahre 2011. Auch die Zahl der Mitglieder ging von 692.466 (1996) auf 297.763 (2012) zurück.
2002 rief die IG BAU unter Klaus Wiesehügel die Beschäftigten im Bauhauptgewerbe zum ersten und bisher einzigen bundesweiten Arbeitskampf am Bau seit 1945 auf. Bis zu 40.000 Bauleute beteiligten sich zeitgleich, trotz katastrophaler Rahmenbedingungen setzte die IG BAU am Ende die meisten ihrer Forderungen durch, wehrte Angriffe der Arbeitgeber ab. 2010 folgte ein Ausstand der Reinigungskräfte, die bei einem realen Organisationsgrad von bis dato gerade einmal 7% die Arbeit niederlegten und sich ebenfalls weitgehend durchsetzten. Der Mut, diese Auseinandersetzungen trotz schlechter Vorzeichen zu führen, wird überwiegend dem Bundesvorsitzenden zugeschrieben.
Der Gang ins Steinbrück´sche Schattenkabinett ist der zweite Ausflug Wiesehügels in die Bundespolitik. Schon zwischen 1998 und 2002 saß er zeitgleich mit seiner Gewerkschaftstätigkeit für die SPD im Bundestag, entwickelte sich dort zu einem ernsten Widersacher von Kanzler Gerhard Schröder. Dennoch hieß der IG BAU-Chef 2004 die AGENDA 2010 samt Hartz-Gesetzen anfangs gut - wie alle anderen Vorsitzenden der DGB-Gewerkschaften auch. Später entschuldigte sich Wiesehügel bei den Mitgliedern für seine Haltung, so auch bei den Delegierten zum Hamburger Bezirksverbandstag. Eine Geste, die ihm noch heute hoch angerechnet wird.
Olaf Harning
2002 rief die IG BAU unter Klaus Wiesehügel die Beschäftigten im Bauhauptgewerbe zum ersten und bisher einzigen bundesweiten Arbeitskampf am Bau seit 1945 auf. Bis zu 40.000 Bauleute beteiligten sich zeitgleich, trotz katastrophaler Rahmenbedingungen setzte die IG BAU am Ende die meisten ihrer Forderungen durch, wehrte Angriffe der Arbeitgeber ab. 2010 folgte ein Ausstand der Reinigungskräfte, die bei einem realen Organisationsgrad von bis dato gerade einmal 7% die Arbeit niederlegten und sich ebenfalls weitgehend durchsetzten. Der Mut, diese Auseinandersetzungen trotz schlechter Vorzeichen zu führen, wird überwiegend dem Bundesvorsitzenden zugeschrieben.
Der Gang ins Steinbrück´sche Schattenkabinett ist der zweite Ausflug Wiesehügels in die Bundespolitik. Schon zwischen 1998 und 2002 saß er zeitgleich mit seiner Gewerkschaftstätigkeit für die SPD im Bundestag, entwickelte sich dort zu einem ernsten Widersacher von Kanzler Gerhard Schröder. Dennoch hieß der IG BAU-Chef 2004 die AGENDA 2010 samt Hartz-Gesetzen anfangs gut - wie alle anderen Vorsitzenden der DGB-Gewerkschaften auch. Später entschuldigte sich Wiesehügel bei den Mitgliedern für seine Haltung, so auch bei den Delegierten zum Hamburger Bezirksverbandstag. Eine Geste, die ihm noch heute hoch angerechnet wird.
Olaf Harning