Hagenbeck weiter ohne Tarifvertrag
Zustände wie vor hundert Jahren: Auch nach vier Wochen Arbeitskampf verweigert der Tierpark Hagenbeck jede Verhandlung mit der Gewerkschaft (Foto: Olaf Harning).
29.09.2023
Nachrichten

Weil auch die seit knapp vier Wochen andauernden Arbeitsniederlegungen keinerlei Bewegung in den Tarifkonflikt beim Tierpark Hagenbeck gebracht haben, hat die IG BAU den Arbeitskampf vorerst ausgesetzt und einen Offenen Brief an die Geschäftsführung des Zoos verfasst, den wir im folgenden dokumentieren:

 

Sehr geehrter Herr Dr. Albrecht, sehr geehrte Gesellschafter des Tierparks Hagenbeck,

nachdem wir Ihnen im April 2022 unseren Entwurf eines Rahmentarifvertrags überreicht haben, vermissen wir jede konstruktive Reaktion von Ihnen dazu.

Sie haben im Gegenteil keine Gelegenheit ausgelassen, um gegen das berechtigte Interesse der Beschäftigten an rechtssicheren Arbeitsbedingungen vorzugehen. Weder Aktionen noch Warnstreiks konnten Sie dazu bewegen, Ihre Haltung, die aus unserer Sicht auf völlig überholten Vorstellungen von Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern beruht, aufzugeben. Ihr gesamtes Verhalten ist darauf gerichtet, den derzeitigen Führungsstil aufrecht zu erhalten, der nicht von Achtung und gegenseitigem Respekt geprägt ist. Auch hier scheint Ihnen jedes Mittel recht zu sein. Daher blieb uns nur das Mittel des unbefristeten Streiks.

Seit dem 28. August befinden sich die Kolleginnen und Kollegen des Tierparks in einem unbefristeten Arbeitskampf. Auch hier finden Sie nicht den Weg zu Ihren Beschäftigten und deren berechtigten Interessen, ganz im Gegenteil: Sie verfolgen die Politik von Zuckerbrot und Peitsche.

 

Einerseits zahlen Sie Beschäftigten, die nicht am Streik teilnehmen, eine (Streikbruch-)Prämie, aber auch nur denjenigen, deren Arbeit sie für wertvoll genug erachten (Tierpfleger). Gleichzeitig disqualifizieren Sie diese, indem Sie ihnen öffentlich die notwendigen Fachkenntnisse und Fähigkeiten in Bezug auf die Erstellung einer Notfallplanung absprechen. Denjenigen Beschäftigten, die ihr Streikrecht ausüben, begegnen Sie mit Streichung von genehmigtem Urlaub, Einschüchterung und öffentlicher Diskreditierung (siehe Ihre neueste Tierparkinfo), um nur einige Beispiele zu nennen.

Dirk Johne
Dirk Johne, Stellvertretender Regionalleiter IG BAU Nord (Foto: IG BAU).

Sie sind sich nicht zu schade, wider besseren Wissens, in einer Medienkampagne zu behaupten, dass der Streik das Leben zahlreicher Tiere gefährden würde. Gleichzeitig lehnen Sie jedes Gespräch und jede Verhandlung zu einer Notdienstvereinbarung ab. Die Anfrage der LINKEN beim Senat gibt die Antwort dazu: es hat nie auch nur der Verdacht einer Tierwohlgefährdung vorgelegen.

 

Gegenüber den Besuchern versuchen Sie eine Normalität zu vermitteln, die es nicht gibt. Einerseits behaupten Sie, dass der Streik zu keinen Einschränkungen führt, andererseits ist der rückseitige Besuchereingang geschlossen, der Spielplatz nicht benutzbar und Sie weisen die Besucher darauf hin, dass die Elefanten wegen des Streiks nicht auf die Anlage können. Gerade letzteres ist eine absolute Unverschämt, denn nur der Bereitschaft der dort Beschäftigten, auf Urlaub und Freizeit zu verzichten, ist es zu verdanken, dass die Elefanten auf die Anlage können - und das wissen Sie genau.

Auch unser Notfallplan stellt sicher, dass ausreichend Personal dafür zur Verfügung steht. Dies macht es unter anderem für die Beschäftigten im Elefantenhaus aufgrund der dünnen Personaldecke unmöglich, sich an Arbeitskampfmaßnahmen zu beteiligen. Das sind ebenfalls nur Beispiele Ihrer zweifelhaften Methoden, um den autoritären Führungsstil weiterführen zu können.

Hagenbeck-Beschäftigte am 1. Mai in Hamburg.
Hagenbeck-Beschäftigte auf der diesjährigen Hamburger Mai-Demonstration (Foto: Harning).

Die Besucher des Tierparks zeigen uns deutlich ihre Meinung dazu, indem sie uns auf vielfältige Art und Weise unterstützen. Unsere Online-Petition hat bis zum 25. September bereits 3.800 Unterstützer:innen. Auf unseren Listen haben sich hunderte weitere Menschen eingetragen.

Die Streikenden bekommen von den Besuchern ausschließlich positive Rückmeldungen. Auch Sie bekommen die Reaktionen offensichtlich mit, denn Sie haben sich dazu veranlasst gesehen, Ihre Kommentarfunktionen bei Instagram und Facebook inaktiv zu stellen. Hier fanden sich ebenfalls zahlreiche Kommentare, die das Anliegen der Beschäftigten unterstützen und Ihre Haltung scharf kritisieren.

Auch haben Sie Beuschern, die sich mit den Streikenden solidarisieren, ihre Jahreskarten entzogen. Hier zeigen Sie deutlich, was sie von der Meinungsfreiheit in unserem Land halten. Wenn Sie in dieser Weise mit betriebsfremden Menschen umgehen, kann sich Jede/r denken, was innerhalb des Unternehmens für ein Umgang mit den Beschäftigten herrscht.

Wir erklären Ihnen gegenüber erneut unsere Verhandlungsbereitschaft. Zeigen Sie den Beschäftigten Ihre Wertschätzung, indem Sie mit uns in Verhandlungen über einen Rahmentarifvertrag eintreten und damit zur Sachebene zurückkehren.

 

Auf unserer Mitgliederversammlung am 26. September haben die Mitglieder eine Streikpause beschlossen.

Wir werden nunmehr zeitlich begrenzt den Streik aussetzen um Ihnen noch einmal ein deutliches Zeichen unserer Verhandlungsbereitschaft zu senden. Gleichzeitig werden wir auch unsere Bemühungen zur Erreichung unseres Ziels weiterführen.

Konkret heißt das für Sie, dass wir in Politik, Gesellschaft und Medien weiterhin aktiv um Unterstützung auf allen Ebenen werben werden. Und es bedeutet für Sie vor allem, es nicht vorbei und ausgesessen!

Wir werden bei weiterer Verweigerung von Verhandlungen zu jeder Zeit aktions- und streikbereit sein. Sie müssen daher jederzeit mit entsprechenden Maßnahmen rechnen, bis Sie sich mit uns an den Verhandlungstisch setzen.

Nutzen Sie diese Gelegenheit und bewegen sich auf die Beschäftigten zu. Damit der Tierpark eine bessere Zukunft vor sich hat.

Mit freundlichen Grüßen, Dirk Johne (Stellvertretender Regionalleiter IG BAU Nord)"