dietmar
24.11.2021
Rechtsprechung

Erhält ein*e Arbeitnehmer*in von seinem/ihrem Arbeitgeber*in eine Abmahnung, kann er/sie ihre Herausnahme aus der Personalsakte verlangen, wenn die Abmahnung ungerechtfertigt ist.

Dies kann auch gerichtlich durchgesetzt werden. Doch kann die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte auch dann noch verlangt werden, wenn das Arbeitsverhältnis bereits beendet ist?

Das klingt erst einmal merkwürdig, denn warum sollte man das noch verlangen, wenn das Arbeitsverhältnis ohnehin bereits vorbei ist und die Abmahnung eine*n nicht mehr zu interessieren braucht? Entsprechend hat auch das Bundesarbeitsgericht nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Entfernungsanspruch jahrelang verneint - es sei denn, durch die Abmahnung sei der/die Arbeitnehmer*in in irgendeiner Form weiterhin beeinträchtigt.

Dieser Text wurde uns freundlicherweise von Rechtsanwalt Christopher Kaempf von der Kanzlei Müller-Knapp, Hjort, Wulff zur Verfügung gestellt.

Doch gibt es seit 2018 die sogenannte Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO). Nach Artikel 17 der DS-GVO gibt es ein "Recht auf Löschung" (auch "Recht auf Vergessenwerden" genannt) und zwar u.a. dann, wenn die personenbezogenen Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig seien. Da das Arbeitsverhältnis (also der "Zweck") nidht mehr besteht, ist es eigentlich nicht mehr notwendig, Abmahnungen (die "personenbezogenen Daten") des ehemaligen Arbeitnehmers/der ehemaligen Arbeitnehmerin weiterhin aufzubewahren.

Auf diesen Art. 17 gestützt, hatte das LAG Sachsen-Anhalt in einer Entscheidung vom 23.11.2018 (5 S 7/17) daher vertreten, dass nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses grundsätzlich Abmahnungen aus den Personalakten zu entfernen sind - und zwar unabhängig davon, ob diese ursrünglich berechtigt waren. Das LAG Sachsen-Anhalt hatte in dem Fall kein konkretes Interesse der Arbeitgeberin erkannt, warum die Abmahnungen weiter hätten aufgewahrt werden müssen. Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin muss nicht darlegen, dass die Abmahnung ihm/ihr noch besonders schaden kann.

In einer neueren Entscheidung hat das LAG Niedersachsen (Urteil vom 04.05.2021 - 11 Sa 1180/20) allerdings eine andere Auffassung vertreten und jedenfalls für noch in Papierform geführte Personalakten entschieden, dass die datenschutzrechtliche Grundlage keinen generellen Entfernungsanspruch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses enthält. Das LAG Niedersachsen hält also an der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts fest, dass zumindest grundsätzlich ein Anspruch auf Entfernung der Abmahnung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr besteht.

Zwei Gerichte, zwei Meinungen. Gegen die Entscheidung des LAG Niedersachsen ist Revision eingelegt worden, sodass bald durch das Bundesarbeitsgericht geklärt sein dürfte, ob Abmahnungen zumindest grundsätzlich nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu entfernen bzw. zu löschen sind.