Screenshot AU-Bescheinigung
Screenshot: Harning.
04.07.2023
Rechtsprechung

Wenn Arbeitnehmer:innen erkrankt sind, erhalten sie für sechs Wochen ihr Gehalt als Entgeltfortzahlung von dem/der Arbeitgeber:in. Dokumentiert wird die Arbeitsunfähigkeit durch die sogenannte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Trotz Vorlage einer solchen AU-Bescheinigung kommt es aber immer wieder zu Streit zwischen Arbeitgeber:in und Arbeitnehmer:in, wenn der/die Arbeitgeber:in glaubt, die betroffenen Beschäftigten seien in Wirklichkeit gar nicht krank.

So in dem Fall, den das Arbeitsgericht Neumünster zu entscheiden hatte (Urteil vom 23.09.222 - 1 Ca 20b/22): Hier hatte der Arbeitnehmer selbst gekündigt. Amt Tag nach der Kündigung ging der Arbeitnehmer zu seiner Hausärztin, die ihn dann in mehreren Etappen bis zum Beendigungsdatum krankschrieb. Am nächsten Tag nach der Arbeitnehmer eine Tätigkeit beim neuen Arbeitgeber auf. Der Arbeitgeber verweigerte die Entgeltfortzahlung, der Arbeitnehmer klagte hierauf.

Das Arbeitsgericht stellt in seinem Urteil fest, dass der AU-Bescheinigung ein hoher Beweiswert zukomme und der Arbeitgeber die Erkrankung nicht einfach nur bestreiten kann, sondern Umstände vortragen muss, die ernsthafte Zweifel an der Erkrankung begründen. Aus Sicht des Gerichts lagen hier solche ernsthaften Zweifel aber vor, was daraus folge, dass die Krankheitszeiten genau die Dauer bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses abdecken würden, alle Atteste von der gleichen Ärztin stammen würden und der Arbeitnehmer am ersten Tag nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei seinem neuen Arbeitgeber wieder arbeiten konnte.

Hat der Arbeitgeber solche begründeten Zweifel dargelegt, muss der Arbeitnehmer über die Vorlage der AU-Bescheinigung hinaus darlegen und beweisen, dass tatsächlich eine Erkrankung in dem Zeitraum vorlag, etwa indem er mitteilt, an was er erkrankt war und die Ärztin von ihrer Schweigepflicht entbindet und sie als Zeugin benennt. Dies verweigerte der Arbeitnehmer im vorliegenden Fall, so dass aus Sicht des Gerichts der Arbeitnehmer seiner Beweis- und Darglegungslast nicht nachgekommen war.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und rechtlich zweifelhaft: es dürfte gerade nicht ungewöhnlich sein, dass eine Arbeitsunfähigkeit nur bei dem "alten" Arbeitgeber besteht, da die Arbeitsunfähigkeit häufig durch die dortigen Arbeitsbedingungen verursacht oder mitverursacht wurde.

Von daher überzeugt der Schluss nicht, dass u.a. die Tatsache, dass der Arbeitnehmer am ersten Tag nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses wieder arbeitsfähig war, ernsthafte Zweifel an einer tatsächlich bestehenden Arbeitsunfähigkeit begründen würde.

Justitias Waagschalen
Bild: IG BAU.

Dieser Text wurde uns freundlicherweise von Rechtsanwalt Christopher Kaempf von der Kanzlei Müller-Knapp, Hjort, Wulff zur Verfügung gestellt.